Welche deutschen Städte haben es unter die Top 20 fahrradfreundlichsten Städte geschafft?

  • Drei deutsche Städte unter den 20 fahrradfreundlichsten Städten weltweit
  • Ein nationales Ranking zeigt allerdings einige Abweichungen und wirft Fragen auf
  • Radverkehrsanteil in Deutschland: Mittelmaß mit Potenzial nach oben

Welche ist die fahrradfreundlichste Stadt?

Kopenhagen ist aktuell die fahrradfreundlichste Stadt der Welt! Zumindest laut dem „Copenhagenize Index“ vom Juni 2017. Die dänische Copenhagenize Design Company veröffentlicht alle zwei Jahre einen Index, in dem die 20 fahrradfreundlichsten Städte der Welt in einer Rangliste wiedergegeben werden. Unter die Top 20 schaffen es 2017 auch drei deutsche Großstädte. Aber der Reihe nach: Was macht eine fahrradfreundliche Stadt eigentlich aus? Und wie schneiden deutsche Städte in Sachen Fahrradfreundlichkeit ab?

Bitte recht (fahrrad-)freundlich

Um die Fahrradfreundlichkeit einer Stadt zu bewerten werden beim Copenhagenize Index insgesamt 14 verschiedene Kriterien berücksichtigt. Zu diesen Kriterien gehören unter anderem:

  • Fahrrad-Infrastruktur
  • Fahrradkultur
  • Bike-Sharing-Programme
  • Verkehrsberuhigung 
  • Akzeptanz von Radfahrern
  • Städteplanung

Weitere Kriterien sind der Anteil an Helmträgern oder Fahrradeinrichtungen wie Fahrradrampen an Treppen, öffentliche Parkstationen und Stellplätze für Fahrräder in Bus und Bahn. Bei der Bewertung der Fahrradfreundlichkeit wird der Fokus also zweifellos auf das Radeln und die Fahrradfahrer gerichtet. Fahrradfreundliche Städte zeichnen sich durch ein gut ausgeprägtes Netz an Radwegen und Fahrradspuren aus. Städteplaner legen mittlerweile immer größeren Wert auf die Fahrrad-Infrastruktur. Auch die Verkehrsberuhigung durch beispielsweise Tempo-30-Zonen und die allgemeine Akzeptanz der Autofahrer für Radler spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Deutsche Städte auf den Plätzen 10, 15 und 17

Kopenhagen hat seinen ersten Platz aus dem letzten Ranking 2015 erfolgreich verteidigt. Knapp dahinter landeten die beiden niederländischen Städte aus Utrecht und Amsterdam. Als fahrradfreundlichste deutsche Stadt darf sich Berlin mit dem 10. Platz auszeichnen. Somit steht sogar eine deutsche Stadt unter den Top 10. Die beiden weiteren deutschen Metropolen sind München auf Platz 15 und Hamburg auf Platz 17. Auffällig ist, dass es mit Tokyo (Platz 9) und Montréal (20) nur zwei Städte außerhalb Europas überhaupt ins Ranking geschafft haben. Die meisten Städte im Copenhagenize Index 2017 stellt derweil Frankreich mit Straßburg, Bordeaux, Paris und Nantes.

Copenhagenize Index 2017

  1. Kopenhagen, Dänemark
  2. Utrecht, Niederlande
  3. Amsterdam, Niederlande
  4. Straßburg, Frankreich
  5. Malmö, Schweden
  6. Bordeaux, Frankreich
  7. Antwerpen, Belgien
  8. Ljubljana, Slowenien
  9. Tokio, Japan
  10. Berlin, Deutschland
  11. Barcelona, Spanien
  12. Wien, Österreich
  13. Paris, Frankreich
  14. Sevilla, Spanien
  15. München, Deutschland
  16. Nantes, Frankreich
  17. Hamburg, Deutschland
  18. Helsinki, Finnland
  19. Oslo, Norwegen
  20. Montréal, Kanada

Quelle: http://copenhagenize.eu/index/index.html

Deutsche Städte im bundesweiten Vergleich

Im Vergleich zwischen dem internationalen Index fahrradfreundlicher Städte der Copenhagenize Design Company und dem Fahrradklima Test 2016 des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) zeigen sich gewaltige Unterschiede. Der ADFC-Fahrradklima-Test ist der Zufriedenheits-Index der Radfahrer in Deutschland. Dabei haben insgesamt über 120.000 Bürgerinnen und Bürger das Fahrradklima in 539 deutschen Städten beurteilt. Hauptkriterien bei diesem Test sind z.B. die Sicherheit auf dem Fahrrad und ob das Radfahren in der jeweiligen Stadt Spaß macht oder eher Stress bedeutet. Das Ergebnis ist – zumindest in Anbetracht des Copenhagenize Index – verblüffend. So findet sich Berlin unter den 39 bewerteten Städten (mindestens 200.000 Einwohnern) auf dem 36. Platz wieder. Auch Hamburg schneidet mit Platz 31 nicht besonders gut ab. Lediglich München auf Platz 13 wird im deutschen Vergleich zumindest ansatzweise seiner Platzierung im internationalen Index gerecht

MHW Fahrradstadt 02 - Welche deutschen Städte haben es unter die Top 20 fahrradfreundlichsten Städte geschafft?

ADFC Fahrradklima Test 2016

1 Münster
2 Karlsruhe
3 Freiburg
4 Bremen
5 Hannover

12 Frankfurt am Main
13 München

31 Hamburg

36 Berlin
37 Köln
38 Mönchengladbach
39 Wiesbaden

Quelle: http://www.fahrradklima-test.de/misc/filePush.php?mimeType=application/pdf&fullPath=/files/2/5/ADFC-FKT_2016_Staedteranking.pdf

Deutschlands „Fahrradhauptstadt“ sichert sich den 1. Platz

Dass Münster DIE Fahrradstadt in Deutschland ist dürfte der ein oder andere bestimmt schon einmal gehört haben. Kein Wunder, denn hier beträgt der Radverkehrsanteil satte 38%. Das Ergebnis des Fahrradklima-Tests untermauert die Vormachtstellung Münsters im bundesweiten Vergleich. Dahinter folgen auf den Plätzen 2 bis 5 Karlsruhe, Freiburg, Bremen und Hannover. Hinter Berlin (36) reihen sich mit Köln, Mönchengladbach und Wiesbaden nur 3 deutsche Städte ein. Nun lässt sich sicherlich argumentieren, dass allein die verschiedenen Kriterien zur Bewertungsgrundlage derartige Unterschiede hervorrufen. Zudem beruht der Copenhagenize Index nicht auf Befragungen von Radfahrern, sondern auf eigens aufgestellten Untersuchungen und deren Ergebnisse. Der enorme Kontrast vor allem in Bezug auf Berlin, aber auch auf Hamburg, ist dennoch verwunderlich. Ebenfalls erwähnenswert sind Bochum, Wuppertal und Augsburg, die im Vergleich zum letzten Fahrradklima-Test 2014 die beste Entwicklung verzeichnen konnten.

Hamburg eine fahrradfreundliche Stadt?!

Ein Pärchen fährt auf E-Bikes durch die Stadt.

Die Verwunderung über die Ergebnisse des Copenhagenize Index 2015 finden sich auch in einem Blogbeitrag der „Zeit Online“ wieder. Dort wurde vor allem die Platzierung, sogar schon allein die Nominierung der Hansestadt Hamburg stark kritisiert. Ausschlaggebend war die Platzierung von Hamburg (damals auf Platz 19) im Ranking der fahrradfreundlichsten Städte weltweit. Dem Artikel nach ist Hamburg alles andere als eine Fahrradstadt und hat dementsprechend auch nichts in diesem Ranking zu suchen. Dieser Standpunkt passt wiederum zu den Ergebnissen des deutschen Fahrradklima-Tests von 2016. Dort schneidet Hamburg mit einer Gesamtbewertung von 4,19 ab und gehört somit deutschlandweit zum unteren Drittel des Rankings.

Fahrradfreundliche Stadt = Fahrradstadt?

Nach Betrachtung der beiden Indexe tun sich allerdings ein paar Fragen auf. Was hat der Status „fahrradfreundliche Stadt“ eigentlich für Auswirkungen für die Fahrradfahrer? Ist eine fahrradfreundliche Stadt automatisch auch eine Fahrradstadt? Dazu müssen die beiden Begriffe zunächst einmal voneinander unterschieden werden:
In einer fahrradfreundlichen Stadt soll das Fahrrad dem motorisierten Verkehr gegenüber als gleichberechtigt angesehen werden. Das Ziel ist es, moderne und umweltfreundliche Mobilität zu fördern. Außerdem soll der Verkehr in einer fahrradfreundlichen Stadt durch einen möglichst hohen Radverkehrsanteil entlastet werden und von den Radfahrern als sicher empfunden werden.
Eine Fahrradstadt definiert sich durch einen hohen Radverkehrsanteil der Einwohner (und Touristen). Dementsprechend kommt dem Radverkehr eine besonders große Bedeutung zu, da sowohl Stadtverwaltung als auch Politik dem Radverkehr einen äußerst hohen Stellenwert zuschreiben.
Der Hauptunterschied liegt demnach wohl hauptsächlich irgendwo zwischen Theorie und Praxis. Während in einer fahrradfreundlichen Stadt theoretisch alle Voraussetzungen für sicheres Radfahren geschaffen werden, gilt eine Fahrradstadt als eben solche, wenn auch praktisch ein hoher Verkehrsanteil aus Radfahrern besteht.

Houten ist der heimliche Fahrrad-Champion

Wie sieht das Verhältnis zwischen „Theorie und Praxis“ also in der Realität aus? Kopenhagen als die fahrradfreundlichste Stadt der Welt beispielsweise gilt mit einem Radverkehrsanteil von ca. 30% definitiv auch als Fahrradstadt. Dasselbe gilt für Amsterdam mit rund 32% Radfahrern im Stadtverkehr. Auch Antwerpen glänzt mit einem Radverkehrsanteil von 23%. München (14%), Berlin (13%) und Hamburg (12%) liegen hier zwar klar zurück, befinden sich aber europaweit betrachtet im Mittelmaß. Andere Städte aus dem Copenhagenize Index 2017 liegen teilweise sogar deutlich hinter den 3 größten deutschen Städten. Während Helsinki mit 11% noch knapp dahinter liegt, sind beispielsweise Wien (7%), Sevilla (6%), Oslo (5%) und Paris (3%) schon etwas abgeschlagen. Die Fahrradstadt Münster kommt in dieser Statistik auf einen Radverkehrsanteil von starken 38%. Spitzenreiter ist das niederländische Houten mit 44% gefolgt vom deutschen Oldenburg (43%).

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Mobilitätserhebung des VCÖ 2016

Houten (NL) 44 Prozent
Oldenburg (DE) 43 Prozent
Eindhoven (NL) 40 Prozent
Groningen (NL) 40 Prozent
Münster (DE) 38 Prozent
Amsterdam (NL) 32 Prozent
Kopenhagen (NL) 30 Prozent
Bremen (DE) 25 Prozent
Antwerpen (BE) 23 Prozent
München (DE) 14 Prozent
Berlin (DE) 13 Prozent
Hamburg (DE) 12 Prozent
Helsinki (FI) 11 Prozent
Wien (AT) 7 Prozent
Sevilla (ES) 6 Prozent
Oslo (NO) 5 Prozent
Paris (FR) 3 Prozent

Quelle: https://www.vcoe.at/news/details/vcoe-oesterreichs-staedte-haben-beim-radverkehr-im-eu-vergleich-aufzuholen

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Kopenhagen und Amsterdam als Vorbild

Eine fahrradfreundliche Stadt ist also nicht zwingend eine Fahrradstadt mit hohem Radverkehrsanteil. Der Copenhagenize Index legt auch großen Wert auf zukünftig geplante Projekte, die eine Stadt fahrradfreundlicher und somit zu einer Fahrradstadt machen sollen. Das sollte auch der Ansporn der deutschen Städte sein, da in dieser Hinsicht noch viel Luft nach oben ist. Verbesserungspotenzial um den Verkehr in deutschen Städten umwelterträglicher und sicherer zu gestalten ist reichlich vorhanden. Mit Kopenhagen und Amsterdam gibt es zudem zwei ausgezeichnete Vorbilder, die gar nicht weit von uns entfernt sind. Einige kleinere deutsche Städte wie Münster oder Oldenburg sind ebenfalls ein gutes Beispiel dafür, dass fahrradfreundliche Städte auch in Deutschland durchaus möglich sind. Das muss auch ein Ziel der deutschen Großstädte für die Zukunft sein. So zeigt beispielsweise Bremen, mit knapp über einer halben Million Einwohner, dass auch in größeren Städten dem Radfahren ein hoher Stellenwert entgegen gebracht werden kann.

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